Geburtsstunde des Simultandolmetschens in Nürnberg
Nürnberg wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur zum Geburtsort des modernen internationalen Strafrechts. In der Frankenmetropole entstand ein damals noch ganz neues Format des Dolmetschens, das Simultandolmetschen.
Eine neue Ära für die Justiz – und für das Dolmetschen
Die Durchführung der Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher des NS-Regimes schrieb ein neues Kapitel der Geschichte. In diesen Verfahren findet das gegenwärtige System des Völkerstrafrechts seinen Ursprung, sie ermöglichten Strafprozesse gegen Kriegsverbrecher in der zweiten Hälfte des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts. Doch das Nürnberger Tribunal nahm auch auf eine andere Branche einen riesigen Einfluss: auf das Dolmetschen. Gerade während dieser Prozesse etablierte sich das Simultandolmetschen als die geeignete Methode für Anlässe, bei denen Zeit gespart werden muss. Im Gegensatz zum Konsekutivdolmetschen erfolgt die Verdolmetschung nicht im Anschluss an das Gesagte, sondern gleichzeitig bzw. mit einer geringen Zeitversetzung. Diese Art des Dolmetschens stellt den Dolmetscher vor große kognitive Herausforderungen.
Nürnberg – Heimat des Simultandolmetschens
Für die Durchführung der Prozesse eben in der Frankenmetropole sprachen mehrere Gründe. Nach Kriegsende befand sich Nürnberg in der US-Besatzungszone und die meisten Angeklagten saßen in amerikanischer Haft. Die Stadt verfügte darüber hinaus über ein unbeschädigt gebliebenes Gerichtsgebäude und ein nahe liegendes Gefängnis. Später wurde in den Räumen, wo die Verhandlungen stattfanden, eine Gedenkstätte eingerichtet, die an die Nürnberger Prozesse und darunter auch an die Rolle der Simultandolmetscher erinnert.
Simultandolmetschen vor dem Nürnberger Tribunal
Die Nürnberger Prozesse wurden praktisch in vier Sprachen zugleich geführt: auf Englisch, Französisch, Russisch und Deutsch. Das Heranziehen von Dolmetschern war in dieser Hinsicht unverzichtbar, sonst hätte das Verfahren überhaupt nicht stattfinden können. Die Dolmetscher mussten dabei ganz genau arbeiten und der korrekten Verdolmetschung besonders viel Aufmerksamkeit widmen. Es war zu bedenken, dass jeder Fehler beim Dolmetschen zugunsten der Beschuldigten hätte genutzt werden können. Beim Gerichtsdolmetschen hängt sehr vieles letztendlich von den genauen Formulierungen ab und die Dolmetscher tragen daher eine große Verantwortung.
Das konventionelle Konsekutivdolmetschen hätte vor diesem Hintergrund dazu geführt, dass sich der Prozess jahrelang hätte hinschleppen können. Die brandneue Methode des simultanen Dolmetschens trug dazu bei, dass das Nürnberger Tribunal viel schneller durchgeführt werden konnte. Die technischen Lösungen bot die US-amerikanische Firma IBM, indem sie außerordentlich schnell ein innovatives System mit Kabinen und schaltbaren Mikrofonen entwickelte. So fing in Nürnberg ein neues Kapitel in der Geschichte des Übersetzens bzw. des Simultandolmetschens an.
Simultandolmetschen einfach erklärt
Das Simultandolmetschen erfordert vom Dolmetscher extrem viel Konzentration, denn er muss parallel drei Funktionen ausführen: zuhören, Informationen extrem schnell verarbeiten und sprechen. Dabei muss das Gesagte möglichst genau verstanden und mit einem geringen zeitlichen Rückstand in eine andere Sprache übertragen werden. Eine Aufgabe, bei der volle Konzentration geboten ist. Nicht jeder ist dieser Herausforderung gewachsen, und auch Profis arbeiten immer in Gruppen und wechseln sich alle 20 - 30 Minuten ab.
Im Falle des Simultandolmetschens befinden sich Dolmetscher in mehreren schallisolierten Kabinen mit Kopfhörern und Mikrofonen. Über Kopfhörer hören sie dem Redner zu und sprechen ins Mikrofon, welches die Verdolmetschung auf die Kopfhörer der Zuhörer überträgt.
Sollte aus einer „selteneren“ Sprache gedolmetscht werden, so gibt es die Möglichkeit des sogenannten „Relais-Dolmetschen“. Dabei dolmetscht ein Dolmetscher aus dieser seltenen Sprache in eine Konferenzsprache (oftmals ins Englische), aus der anschließend in weitere Sprachen gedolmetscht wird.
Neben dem „Kabinendolmetschen“ kann das Dolmetschen auch ohne Einsatz der komplexen Technik erfolgen. Beim „Flüsterdolmetschen“ befindet sich der Dolmetscher direkt neben dem Zuhörer und dolmetscht ihm direkt ins Ohr. In anderen Fällen wird auf einfachere und günstigere Dolmetsch- und Konferenztechnik, z. B. auf eine Personenführungsanlage (sogenannter „Flüsterkoffer“ des Dolmetschers), zurückgegriffen.
Simultandolmetschen bei der Nürnberger Dolmetscherzentrale
Das Simultandolmetschen hat sich im Laufe der Zeit erfolgreich durchgesetzt und wird bei großen internationalen Veranstaltungen aufgrund erheblicher Zeitersparnis oft vorgezogen. Am „Geburtsort“ dieser Art des Dolmetschens, im Justizpalast Nürnberg, wird des Ursprungs des Simultandolmetschens gedacht.
Unser Team der Dolmetscherzentrale Nürnberg achtet die Geschichte des Simultandolmetschens, die im Zentrum von Franken angefangen hat, hoch. Wir unterstützen Sie professionell als Dolmetscher und Übersetzer bei Verhandlungen, Messen und anderen Veranstaltungen und vor Gericht.